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Die Abgründe der Menschheit – „Biutiful“

3. März 2011

Gestern war ich in der „Moviepilot-Preview“ und habe Alejandro González Iñárritus neuen Film „Biutiful“ gesehen. Er ist ab nächster Woche (10.3) in den deutschen Kinos zu sehen. Hier lest ihr also meine Vorabkritik…

Liebevoller Vater zweier Kinder, verantwortungsvoller Ehemann und Kleinganove – Uxbal (Javier Bardem) ist ein echter Gutmensch, der sich im korrupten Barcelona mit kleinkriminellen Machenschaften über Wasser hält und schon bald zusätzlich eine ernste Diagnose erhält, Prostatakrebs. „Mit einer Chemotherapie können wir ihren jetzigen Zustand aufrecht erhalten, vielleicht ein paar Monate“, sagt der Arzt mit ernstem Gesicht und man realisiert spätestens jetzt, dass es dieser Protagonist nicht leicht im Leben hat und nie haben wird. Dennoch ist er einer, der sich durchschlägt. Er hilft illegalen Einwanderern, führt nebenbei eine ziemlich verkorkste Beziehung mit seiner manisch-depressiven Ehefrau Maramba (Maricel Álvarez) und versucht das Leben seiner Kinder, die ebenso wie er unter den sozialen Umständen leiden, so erträglich wie möglich zu machen.

Der mexikanische Regisseur Alejandro González Iñárritu (Amores Perros, 21 Gramm, Babel) beschäftigt sich auch in seinem neuen Werk mit den Abgründen der Menschheit. Kriminalität, Korruption, Migrationsprobleme, Krankheit, Tod – dies alles findet sich auch in „Biutiful“ wieder. Die Bildgewaltigkeit, mit der er sich diesen Thematiken auf berührende Art und Weise widmet, zählt eindeutig zu den Stärken des Films. Es läuft einem kalt den Rücken hinunter, wenn man sieht in welchem Elend Uxbal mit seinen Kindern wohnt, in welchen menschenunwürdigen Kellern afrikanische und chinesische Illegale hausen. Auch die Beziehung zwischen Uxbal und seiner psychisch kranken Frau ist eindrucksvoll und mit viel Tiefgang dargestellt. Die schauspielerischen Leistungen beider Schauspieler und die Art und Weise, wie sie ihren Figuren emotionale Tiefe verleihen, überzeugen.

Dennoch hat „Biutiful“ zweifelsohne einige Schwächen. So werden die vielen sozialen Probleme, die Iñárritu in seinem Film behandelt, doch das eine oder andere Mal zu viel. Man hat das Gefühl, der Regisseur will sämtliche Abgründe der Menschheit abhandeln, schneidet vieles dadurch nur oberflächlich an (z.B nur am Rande Drogenproblematik, unterdrückte Homosexualität, Abschiebung etc.), wodurch er leider genau das Gegenteil erreicht: Man fühlt sich als Zuschauer überfordert von dieser Gesamtheit an menschlichem Leid, empfindet es als zu viel. Die Konzentration auf einige wenige Kernproblematiken hätte dem Film eindeutig gut getan und zu deutlich mehr Tiefe verholfen. Auch schrammt „Biutiful“ oft nur haarscharf an der Grenze zum Sentimentalen vorbei, wenn etwa wieder einmal Uxbals engagiertes Eintreten für die Armen und Unterdrückten gezeigt wird. Die Motivation hinter seinem Handeln bleibt oft verborgen und wenig nachvollziehbar. „Was hat er denn davon, dass er jetzt dieser Illegalen hilft, obwohl er doch selbst Probleme genug hat?“, war eine Frage, die ich mir das eine oder andere Mal während des Films stellen musste. Natürlich, so viel Gutmenschentum ist zweifelsfrei löblich, stellt aber doch einen zu starken Gegensatz her zu dieser kalten und egoistischen Welt, in der jeder nur auf seinen Vorteil bedacht ist und die Iñárritu den Rest des Films mit starken und ungeschönten Bildern zeigt.

„Biutiful“ ist auch der erste Film Iñárritus, der nicht in Episoden, sondern linear erzählt ist. Dies ist hier aber auf jeden Fall sinnvoll gewählt, da sich der Haupthandlungsstrang auf Uxbals Schicksal konzentriert und das Episodenhafte doch eher gestört hätte. Dennoch haben mich „Amores Perros“ und „Babel“ vielleicht gerade dadurch, dass verschiedene Figurenschicksale beleuchtet werden, sich gar überschneiden, noch mehr überzeugt. „Biutiful“ ist zwar auch ein berührender Film, der durch seine Bilder, metaphorischen Einstreuungen und das Schildern von menschlichem Leid in den dunklen Teilen der Großstadt Barcelona besticht. Dennoch konnte dies alles nicht über den Eindruck hinwegtäuschen, dass hier weniger mehr gewesen wäre.

4 Kommentare leave one →
  1. 3. März 2011 23:13

    Hey! Vielen Dank für deinen netten Kommentar. Ist ja fast unglaublich, noch ein Blog von einer EuroLit-Studentin zu sehen, so viele gibt es von uns ja nicht 😉 Ich werde dein Blog auf jeden Fall mal durchstöbern!

  2. S. B. Berger. permalink
    19. März 2011 01:35

    Heyho,

    sehr schöner Artikel, der schön differenziert geschrieben wurde. Vielleicht illegale in „illegalle“ abändern, is ja keiner Illegal. 😉 Is aber persönlicher gusto.

    Liebste Grüße

    ;o)

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